Bericht vom Themenabendortsentwicklung

Für den Vor­stand des Grü­nen Orts­ver­ban­des begrüß­te Anselm Hirt die Bür­ge­rIn­nen im gut gefüll­ten Saal und erklär­te die Aktua­li­tät des Themas:

1899 ha, das ent­spricht 2713 Fuß­ball­fel­dern an Flä­chen wer­den jedes Jahr allein in Baden-Würt­tem­berg ver­braucht, 5,2 ha pro Tag.

Als ers­ter Refe­rent sprach Ger­hard Zicken­hei­ner, Archi­tekt und Stadt­pla­ner über zen­tra­le Fra­ge der Iden­ti­tät Gun­del­fin­gens: noch dörf­lich oder schon eher vorstädtisch?

Scharf kri­ti­sier­te Zicken­hei­ner die von der Gro­ßen Koali­ti­on jüngst beschlos­se­ne Kor­rek­tur des § 13a des Bun­des­bau­ge­set­zes, da sie Bau­en in Außen­flä­chen ohne Umwelt­prü­fung erlaube.

Er lob­te den Leit­bild­pro­zess in Gun­del­fin­gen, das Leit­bild dro­he jetzt aber in der Schub­la­de zu ver­schwin­den, es müs­se in Plan­wer­ke ein­ge­bun­den und eine Rechts­grund­la­ge dafür geschaf­fen wer­den, bei­spiels­wei­se über einen Mas­ter­plan. Woh­nen und Mobi­li­tät müss­ten immer zusam­men gedacht wer­den: Park­räu­me brau­chen sehr viel Flä­che, Bau­en an ÖPNV-Kno­ten­punk­ten spart Parkplätze!

Das Pro­jekt „Alte Bun­des­stra­ße 10“ – neue Wohn­for­men – sei zukunfts­wei­send, so ein Pro­jekt hät­te Zicken­hei­ner auch ger­ne in sei­ner Hei­mat­stadt Lörrach.

Heu­te bean­spru­che ein jeder 49 m² Wohn­raum für sich, 1958/59 waren es noch 16 m². Das sei wie ein über 2 t schwe­rer Por­sche Cayenne, den eine Frau von 60 kg fahre.

Die Qua­li­tät der Woh­nun­gen müs­se geän­dert wer­den: Wie kön­nen wir mit weni­ger Raum mehr Spaß haben und dazu noch Geld spa­ren? Neue Wohn­ty­pen müss­ten geschaf­fen wer­den, als Bei­spiel nann­te er ein von ihm selbst kon­zi­pier­tes 7stöckiges Hoch­haus in platz­spa­ren­der Holz­rah­men­bau­wei­se: Dadurch wür­de mehr Flä­che auf weni­ger Raum gene­riert wer­den. Das Kon­zept habe den Archi­tek­ten­wett­be­werb gewonnen.

Er for­der­te ein Leer­stands­ka­tas­ter, um alle Leer­stän­de einer Gemein­de zu erfas­sen, ein Grund­stücks­ka­tas­ter sowie die Schaf­fung einer Wohnraumbörse.

Die Luft­bild­auf­nah­me zei­ge, dass Gun­del­fin­gen mög­li­che Bau­flä­chen ledig­lich im Nor­den habe, eine Bebau­ung dort bedeu­te aber einen Ein­griff in land­wirt­schaft­li­che Flächen.

Am Büf­ing sehe er Poten­zi­al, bei allen Neu­bau­ten sol­le man aber unbe­dingt mit gro­ßer Höhe bauen.

Zicken­hei­ner ist Bun­des­tags­kan­di­dat für den Wahl­kreis Lörrach-Müllheim.

Als Bun­des­tags­mit­glied wür­de er sich für eine Ände­rung des Genos­sen­schafts­rechts ein­set­zen, um neue Wohn­for­men zu erleich­tern; er wür­de sich für ein umfas­sen­des sozia­les Woh­nungs­bau­pro­gramm ein­set­zen und für die Rück­nah­me der Ände­rung des Bun­des­bau­ge­set­zes. Auch für eine Ände­rung der EU-För­de­rung für die Land­wirt­schaft wol­le er sich ein­set­zen: 80% der 7 Mrd.  an För­der­mit­teln gin­gen in die 20% Groß­be­trie­be, die klein­tei­li­ge Land­wirt­schaft müs­se viel bes­ser geför­dert und erhal­ten werden.

Ulrich Mar­tin Dre­scher, Bun­des­tags­kan­di­dat für unse­ren Wahl­kreis, for­der­te die Auf­recht­erhal­tung der sozia­len Durch­mi­schung in Wohn­ge­bie­ten. Gewer­be­bau­ten müss­ten ver­mehrt gemein­sam genutzt wer­den – mehr Höhe für ver­schie­de­ne Betrie­be unter einem Dach. Der Stell­platz­schlüs­sel müs­se revi­diert wer­den, er trei­be die Prei­se für Wohn­raum unnö­tig in die Höhe (30–40.000 € allein für einen Tief­ga­ra­gen­stell­platz!). Über­di­men­sio­nier­te Park­räu­me wür­den dörf­li­ches Leben ver­hin­dern. Dre­scher möch­te sich im Bun­des­tag ein­set­zen für eine öko­lo­gi­sche Wirt­schafts­po­li­tik, eine neue Bau­po­li­tik mit mehr Zuwei­sun­gen für genos­sen­schaft­li­ches Woh­nen, Pio­nier­pro­jek­te müss­ten ange­sto­ßen, Grün­dungs­wil­li­ge bes­ser unter­stützt wer­den. Ein gelun­ge­nes Bei­spiel ist die von ihm mit­be­grün­de­te Regionalwert-AG.

Für die Grü­ne Frak­ti­on erklär­te Evi Ton­dré, wie mehr bezahl­ba­rer Wohn­raum geschaf­fen wer­den könn­te durch eine akti­ve Vor­rats­po­li­tik der Gemein­de: Grund­stü­cke müss­ten erwor­ben, die Eigen­tü­mer früh­zei­tig aktiv kon­tak­tiert wer­den, bevor ein Erb­fall ein­tre­te oder Mak­ler zuge­grif­fen hät­ten. Herr Män­ner vom Orts­bau­amt nahm als Gast­red­ner dazu Stel­lung und warn­te vor dem Antrei­ben der Preis­spi­ra­le, wenn die Gemein­de sich in den Wett­kampf mit Mak­lern bege­ben würde.

Wolf­gang Losert, Land­schafts­ar­chi­tekt und Sach­kun­di­ger Bür­ger im Bau­aus­schuss, hielt ein Impuls­plä­doy­er für ein inte­grier­tes Gesamt­kon­zept für die Innen- wie auch Außen­ent­wick­lung. Die bis­he­ri­ge Sala­mi­tak­tik beim Bau­en ver­spei­se Bau­mög­lich­kei­ten, inner­ört­li­che Filet­stü­cke wür­den viel zu nied­rig bebaut.

Wel­che Außen­gren­zen wünscht sich Gun­del­fin­gen, wo soll die Gren­ze einer zukünf­ti­gen Bebau­ung im Nor­den ver­lau­fen? Wie, wo und in wel­chem Tem­po möch­te Gun­del­fin­gen Außen­ent­wick­lung betrei­ben? Hier­zu müs­se der Bür­ger­dia­log wie­der­auf­ge­nom­men wer­den – der star­ke Bür­ger­wil­le habe sich in den über 1800 Unter­schrif­ten gezeigt, die in kür­zes­ter Zeit für den Erhalt des Eng­ler-Hau­ses zusam­men­ka­men. Losert reg­te an, Bür­ger­ein­la­gen zu sam­meln für einen genos­sen­schaft­li­chen Wohn­raum­er­werb, einen eige­nen Kom­mu­nal­ent­wick­ler ein­zu­stel­len, der ähn­lich wie der Sanie­rungs­ma­na­ger aktiv auf Eigen­tü­mer zuge­hen sol­le, um Wohn­raum­po­ten­zia­le zu erschlie­ßen. Wie Evi Ton­dré reg­te er eine Wohn­raum­ka­ra­wa­ne an. Im Erb­fall sei­en Schen­kun­gen an die Gemein­de denk­bar, oder der Ver­kauf des Erb­stücks an die Gemein­de zu einem fai­ren Preis, der mit einer Bür­ger­me­dail­le geehrt wer­den könne.

Zum Abschluss rief Anselm Hirt dazu auf, nicht zum jet­zi­gen Zeit­punkt das ein­zi­ge Tafel­sil­ber, das Gun­del­fin­gen für die Orts­ent­wick­lung noch habe, näm­lich Näge­le­see Nord, zu ver­brau­chen, son­dern statt­des­sen die Wohn­raum­ka­ra­wa­ne zu star­ten, eine Wohn­raum­bör­se und Woh­nen für Hil­fe anzubieten.

Georg Löser erin­ner­te in der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on dar­an, dass in den Jah­ren 2005 bis 2015 die Ein­woh­ner­zahl nahe­zu kon­stant blieb, ein Wachs­tum gebe es nur bei der pro Kopf-Inan­spruch­nah­me von Wohnraum.

 

Bericht: Sil­ke Eis­feld, Bünd­nis 90/Die Grünen