Mitgliederversammlung zum Leitbildprozess 21. November 2012 um 20 Uhr
im Kultur- und Vereinshaus, Vörstetter Str. 7, Erdgeschoss
Update: Bericht »Viel Übereinstimmung, aber auch Kritik im Detail« in der Badischen Zeitung vom 12.1.2013.
Ergebnisse des Leitbildprozesses aus Grüner Sicht
Wie soll Gundelfingen in zwanzig Jahren aussehen? In elf Arbeitsgruppen und Foren haben sich Gundelfingens Bürgerinnen und Bürger im sogenannten Leitbildprozess viele Gedanken dazu gemacht und zahlreiche Beiträge geleistet. Auf unserer Mitgliederversammlung haben wir eine erste Bilanz gezogen.
- Bildung: Über die Notwendigkeit der Förderung und Betreuung der Kinder bis zum Eintritt in die weitergehenden Schulen (U 3, Ü3 und Grundschule mit Ganztagsangebot) bestand großer Konsens, auch die Bildungsangebote für Erwachsene und Senioren werden als zukünftig besser zu koordinierende Aufgabe der Gemeinde von allen Mitgliedern dieser Arbeitsgruppe verstanden.
Die Stellungnahme zum neuen Gundelfinger Schulmodell wurde weniger offen und kontrovers diskutiert, zumal die Gespräche mehr und mehr von Pädagogen mit ihren Teilinteressen geprägt wurden und ein ergebnisoffener Austausch auch mit Eltern und Schülern immer weniger möglich war. Das Bekenntnis des Arbeitskreises, dass am Ort alle Schulabschlüsse angeboten werden sollten, ist wohlfeil solange nicht inhaltlich geprüft wird, ob die Gemeinschaftsschule (oder eine Verbundsschule?) das zukunftsfähigere Modell des Lernens darstellt und vor allem, was die jungen Familien sich wünschen.
Die Grünen vor Ort fordern die Einbeziehung der Eltern in die Beratung über das neue Schulangebot durch ein Bildungsgespräch vor einer Abstimmung auch darüber, ob das längere gemeinsame Lernen gewünscht wird und welche Formen diese neue Lernkultur annehmen kann (Orientierungsstufe, Durchlässigkeit, Verzicht auf frühe Auslese, Inklusion, individuelle Förderung in gemischten Klassen) . Das 2‑Säulen-Modell ist vor Ort und im Land unstrittig – die Frage bleibt, welche zweite Säule für Gundelfingen gewünscht wird. Diese Frage wurde durch das Leitbild-Forum nicht offen diskutiert.
Erfreulich ist aus unserer Sicht, dass nach Jahrzehnten des Stillstands im Rahmen einer Neuordnung des Schulangebots ein Realschulzweig für Gundelfinger Schüler etwa als Teil einer Gemeinschaftsschule in greifbare Nähe rückt. Womit der Bildungstourismus ins Umland für Kinder nach der Grundschule ein Ende haben wird!
- Kultur: Die Grünen finden sich in den Forderungen dieser Arbeitsgruppe weitgehend wieder:
Gundelfingen hat ein vielfältiges kulturelles Angebot auch dank einem bürgerschaftlichen Kulturangebot, etwa durch die Vereine; Neben den ausbaufähigen – professionellen Kulturangeboten, fördert auch dieses eine Identifizierung mit der Heimatgemeinde. Was fehlt, ist eine gezielte Förderung und Kooperation all der einzelnen Angebote, eine Vernetzung und werbenden Veröffentlichung, die eine Raumplanung und Mittelbeschaffung beinhalten kann; vor allem wird ein Anlaufzentrum benötigt, ein Kulturkreis oder ein Kulturbeauftragter sowie eine Spielstätte, wie sie etwa die Nachbargemeinde Denzlingen vorweisen kann.
- Soziales: hat sich mit der Vernetzung der bürgerschaftlichen Aktivitäten- eben im Sozialen – beschäftigt : Die Grünen vor Ort unterstützen ausdrücklich das Projekt des geplanten Bürgertreffs von Bürgern für Bürger vor Ort; die Gemeinde sollte Räume zur Verfügung stellen und durch positive Begleitung dazu beitragen, dass dieser zu gründende Bürgerverein unabhängig sein bürgerschaftliches Engagement entfalten kann.
Darüber hinaus aus grüner Sicht:
Die Jugendförderung außerhalb der schulischen Angebote muss stärker gefördert werden: Mit einem Profil, das mehr und unterschiedliche Jugendliche anspricht. Das Jugendzentrum braucht neue Impulse, aber auch Freiräume für die Jugendlichen und ihre Aktivitäten.
- Gemeindeentwicklung und Wohnen: Die Debatte über die wachstumsorientierten Scheinalternativen Nachverdichtung und/oder Neubauviertel auf der grünen Wiese (Nägelesee-Nord) greift aus Grüner Sicht zu kurz. Für einen Flächen schonenden Umgang mit Wohnraum und Wohnbebauung müssen neue Modelle des Wohnens und Nutzens des bebauten Raumes gefunden werden. Durch diese neuen Nutzungsmodelle, etwa in Mehrgenerationen-Häusern sowie durch eine kommunale Wohnraumbörse zur besseren Nutzung des vorhandenen Raumes, können Wege gewiesen werden, um sozial sinnvolle Lebensweisen zu fördern und mit dem Raum sparsamer umzugehen. Statt auf Kosten der nachfolgenden Generationen einem Wachstumskurs zu folgen, muss erkannt werden, dass dieser endlich ist, wie es auch unsere Ressourcen sind.
- Verkehr: Ganz im Sinne Grüner Politik hat dieser Arbeitskreis erstmalig festgeschrieben, dass die Verkehrsmittel nicht einfach gleichberechtigt behandelt werden müssen, sondern Schwächere vor den Stärkeren durch ordnungspolitische wie bauliche Maßnahmen geschützt werden müssen (Tempo 30, Fußwege ohne Radwege, autofreie Räume für Passanten). Auf der Basis eines zu erstellenden Verkehrsgutachtens sind Daten zu erheben, wie das Umsteigen der Bürger auf Umwelt schonendere Verkehrsmittel zu fördern ist. Die Gemeinde soll stärker als bisher Verkehrslenkung vor allem durch Anreize zum Umsteigen betreiben.
Beim aktuellen Punkt Stadtbahnverlängerung konnte nur ein Formelkompromiss erzielt werden: die Offenhaltung der Trasse durch Gundelfingen.
Als grüner Erfolg ist zu werten, dass sich die Gruppe auf eine abschnittsweise Prüfung und Realisierung der Straßenbahn unter Einbindung der Bürgerschaft und Verkehrsprognosen einigen konnte. So bleibt auch eine Weiterführung der Stadtbahn bis zum Ochsen als Alternative offen. Sie würde ein Drittel der Gundelfinger an die Stadtbahn anschließen und zu keiner Durchschneidung des Ortes führen
Was von den Grünen seit langem gefordert wird: mehr Lärmschutz für die ganze Gemeinde (DB und PKW), wurde auch von der Leitbildgruppe aufgegriffen und als wichtiges Ziel definiert. Die grüne Forderung nach kommunaler Förderung eines Carsharing-Modells – wie jüngst in Stuttgart umgesetzt- ist (noch) nicht Bestandteil der Verkehrs-Leitlinien.
- Energie: Hier wurden viele Perspektiven entwickelt, zu denen wir Grüne seit Jahrzehnten aufrufen. Nebenbei: Die in diesem Arbeitskreis gelebte Zusammenarbeit zwischen sachkundigen Bürgerinnen und Bürgern und den Gemeindewerken ist für die Zukunft wegweisend und sollte institutionalisiert werden. Diese energiepolitischen Ziele müssen weiter umgesetzt werden: • Energieeinsparung und deren kommunale Förderung (50% bis 2030 als Zielvorgabe) • Ausbau aller erneuerbaren Energieträger (100% als Ziel) • Einbau von intelligenten und dezentralen Energiespeichersystemen, und das alles gefördert durch • Umbau der Gemeindewerke Gundelfingen zu einem Dienstleistungsbetrieb zur Umsetzung der Energiewende.
- Ortsteile: Mit Einfallsreichtum hat sich die Arbeitsgruppe dem Ziel gewidmet, das Herabstufen des Ortsteils Wildtal zu einer Schlafstadt zwischen Gundelfingen und Freiburg zu verhindern.
Wir Grünen können, nachdem der alte Wildtäler Ortskern finanziellen Interessen Einzelner geopfert wurde, nur mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen, dass jetzt von der Leitbild-AG nach einem neuen Ortszentrum für Wildtal gesucht wird.
Jedenfalls unterstützen wir die Forderung einiger Mitglieder der Arbeitsgruppe nach einer unabhängigen Interessenvertretung der Wildtäler Bürger (BI, Bürgerverein), weil die letzten Monate und Jahre überdeutlich gezeigt haben, dass die Interessen Gundelfingens mit denen seines Ortsteils nicht immer deckungsgleich sind. Hier hätten wir uns deutlichere Worte in den Leitlinien gewünscht . Jede weitere Entwicklung Wildtals steht und fällt mit dem offenen und transparenten Umgang der Gemeinde mit allen Bürgern des Ortsteils. Nur durch die Rückgewinnung des Vertrauens werden sich die Teile der Bevölkerung, die sich abgewendet haben, als Gesprächspartner wieder gewinnen lassen. Mit dem Wildtäler Kulturverein stünde ein Ansprechpartner zur Verfügung. Basis für die Entwicklung des Ortsteils ist und bleibt der Eingemeindungsvertrag von 1971.
- Tourismus, Umwelt, Landwirtschaft sowie Freizeit, Sport und Gesundheit: In diesem Arbeitfeld werden viele Einzelmaßnahmen vorgeschlagen; im Sinne eines ökologischen und damit nachhaltigen Gesamtentwurfs kann das Konzept uns leider nicht überzeugen. Weder ist ein ökologisches Gesamtkonzept für Natur und Arbeitsplätze (Tourismus) an den Ergebnissen dieser Arbeitsgruppe abzulesen, noch wurden wichtige Schwerpunkte wie gesundheitliche Nachteile etwa durch Lärmbelästigung (PKW und DB) in den Mittelpunkt gerückt.
Hinsichtlich der Förderung der heimischen Landwirtschaft und ihrer ökologischen Ausrichtung durch die Gemeinde wäre mehr möglich gewesen.
- Gemeinde als Dienstleister: Diese Arbeitsgruppe hat vorgemacht, wie praktische Politik gehen kann: Sie hat eine Umfrage unter den Leitbildaktivisten auf den Weg gebracht, um aus empirischen Daten Forderungen abzuleiten. So wünschen sich die Grünen die Entscheidungsprozesse einer Kommune, nah an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger! Mehr Gehör und Mitbestimmung kann der repräsentativen Demokratie Glaubwürdigkeit zurückgeben und der Politikverdrossenheit entgegenwirken. In diesem Sinne bietet die Gemeinde der Zukunft nicht nur bestehende Dienste an (diese werden von den Befragten positiv gesehen), sondern erkundet die Haltung der Betroffenen in der Bevölkerung und trägt den Bedürfnissen Rechnung. Die Bürgergemeinde ist die Fortentwicklung der Dienstleistungsgemeinde (vgl. Hugstetten).
- Fazit: Nach Einschätzung der Grünen hat der Leitbildprozess gezeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Engagement und ihrer umfangreichen Kompetenz eine große Bereicherung des sozialen, kulturellen und politischen Lebens unserer Gemeinde darstellen. Wir Grünen unterstützen die Forderung vieler der im Leitbild tätigen, dass dieser Prozess der politischen Teilhabe jetzt nicht beendet werden darf:
- Die heutigen und zukünftigen aktiven Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde brauchen auch weiterhin eine Plattform (Bürgertreff, Bürgerinitiative, Bürgerrat, Forum der Vereinssprecher), welche bei den Gremien der repräsentativen Demokratie mitberatend Gehör findet.
- Aus den Fehlern einer nur formal zugestandenen, im Ergebnis nicht offenen Diskussion (wie im Fall des Sonneareals in Wildtal) müssen alle Beteiligten lernen; nicht nur, in dem 2012 eine „Spielwiese Leitbild“ ermöglicht wurde, sondern in dem für die Teilhabe und Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger neue Formen und Foren gefunden werden.
- Wie der Gemeinderat mit den Ergebnissen der Leitbild-Gruppen und der politischen Teilhabe ihrer Aktiven in den nächsten Monaten und Jahren umgeht, ob auf Augenhöhe gesprochen wird und die Ergebnisse detailliert publiziert und nach Möglichkeit umgesetzt werden
- Dieser Umgang mit dem bürgerschaftlichen Engagement wird einen Einblick geben, ob die Bürger und „ihre“ Verwaltung sich näher gekommen sind oder ob Bürgerbeteiligung eine Momentaufnahme des Jahres 2012 bleibt.
- Voraussetzung einer Kooperation ist auch eine größere Transparenz der Entscheidungsgremien etwa durch Öffnung der Ausschuss-Arbeit für interessierte Bürgerinnen und Bürger (und die Presse).
- Wir Grünen wünschen uns mehr Bürgerbeteiligung – Basisdemokratie und Teilhabe ist eine Zukunftsfrage für unser Gemeinwesen geworden.
Wenn es nach uns Grünen geht: Der Leitbildprozess war erst ein Anfang, ein guter Anfang!
Wir danken allen, die sich beteiligt haben, für ihr Engagement!
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